Wolfram Sulek  "Notation"

 

Notationen sind Aufzeichnungen, benennen Gegenstände und können Bewegungsverläufe mit vereinbarten Symbolen lesbar machen. Ähnlich der Noten in der Musik bedient sich Wolfram Sulek eines eigenen Systems, sich dem Betrachter mitzuteilen. Möglich ist dies durch eine dem Menschen innewohnende Metasprache, die Sulek in der Interaktion mit der Leinwand auslotet. Wie in einem Dialog zeichnet Sulek sein Innerstes auf, Schicht für Schicht entsteht ein Protokoll, an dem er den Zuschauer teilhaben lässt.

 

1957 in Guben/Lausitz geboren wächst Wolfram Sulek in der sich verschließenden DDR auf. Der Zufall in Form einer Dürerzeichnung bringt ihn zur Kunst, aber ein Kunststudium war in der DDR nur mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung möglich. Er entscheidet sich für eine Ausbildung zum Buchbinder, um anschließend Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee zu studieren.

 

„Sozialistischer Realismus“, politisch gewollt, eine intensive Betreuung im Studium und das Ausblenden von Westkunst in den Schulen erzeugt ein Vakuum, das den jungen Sulek an seine Grenzen bringt. Progressives findet er in der freien Jazzszene. Diese Musik wird auch später seine Arbeiten beeinflussen. Er bringt trotz allem sein Studium zu Ende und sieht als einzigen Weg, dieser Enge zu entkommen, die Ausbürgerung. Seinem Antrag wird nach einiger Zeit stattgegeben. Er geht nach Hamburg und weiter in die USA. Das neue Lebensgefühl, das Aufsaugen von Kunstströmungen treibt ihn an und nach West-Berlin. Heute pendelt er zwischen seinen Ateliers in Ribnitz-Damgarten und Leipzig.

 

Malewitsch brachte 1915 die Kunst mit seinem schwarzen Quadrat an einen Nullpunkt, um das Gegenständliche abzuschütteln; die DDR brachte Wolfram Sulek die Gelegenheit, sich vom Regime und vom verordneten Realismus zu befreien. Diese Möglichkeit, losgelöst vom Gegenstand zu arbeiten, und sein unbedingter Gestaltungswille treiben ihn bis heute an und machen ein gegenständliches Arbeiten für ihn unmöglich. Das heißt nicht, dass seine Bilder keine Assoziationen zulassen. Er sagt: „Du kannst nur abstrakt malen, wenn du vorher gegenständlich warst.“

 

Um sich nicht festlegen zu müssen, arbeitet Sulek in Serien und findet dabei immer neue Möglichkeiten des Ausdrucks. Wie ein Musiker seine Stücke baut er seine Bilder auf, Geometrisches und Gestisches bedingen einander. Laufende Farbe und organische Formen kommunizieren miteinander und finden ihr Gleichgewicht. Ähnlich einem Jazzstück (denn meist läuft während des Malaktes Jazzmusik) folgt dem Thema die Variation, dem Solo die Überlagerung und am Ende die Rückkehr zum Thema wie in der Serie „Sketchbook Nr. 16“.

 

Die so entstehenden Arbeiten sind Notationen, ein Feiern von Farbe und Form, sie erzeugen ein spannungsreiches Erlebnisfeld, auf dem der Betrachter zum Forscher werden kann.

 

 


                Acryl, Kohle, Graphit auf Polyestergewebe     300x160 cm   ( zweiteilig )                                                                     


Sketchbook Nr. 16/V 2017                                    Sketchbook Nr. 15/III 2016 

Acryl auf Polyestergewebe                                                    

150 x 105 cm